Dienstag, 21. Oktober 2014

Das moderne Shanghai oder Sex And the City 2.0


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Es ist 18:30 h und ich sitze am Sonntag in einem Café in der Huaihai Road. Diese Straße führt kilometerweit durch die Stadt und ist eine der Hauptschlagadern dieser Stadt. Am Nebentisch sitzen 3 Chinesinnen und scheinen sich prächtig zu amüsieren. Die Einkaufstaschen von I.T. (einem chinesischen Luxuslabel), Burberry und Clinique, lassen vermuten, dass die 3 sich für den beginnenden Herbst ausgestattet haben und mutmaßlich gerade über die hart arbeitenden Ehegatten plauschen. Da heute in Shanghai besonders schönes Wetter ist, nippen wir alle an einem kalten Milktea und geniessen diesen Abend. Längs der Huahai Lu gibt es zahlreiche Malls und alle Läden, mit denen das moderne China seinen Anschluss an die Welt zu symbolisieren vermag. Das ist zweifellos gelungen, merkt man - besonders in den Passagen - doch nicht, ob man in Shanghai oder New York ist. Gleiches gilt für die Weltoffenheit, Toleranz und Gelassenheit, die mich hier schon mehrfach überrascht hat.
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Gerade hat sich ein Jen an meinen Tisch gesetzt. Der junge Mann arbeitet hier um die Ecke in einer Bank und nimmt einen kurzen Pausenkaffee zu sich. 6 Tage die Woche, 9 Stunden am Tag muss Jen arbeiten. Nächste Woche nimmer er seine 7 Tage Jahresurlaub, plus 2 Tage aufgesparte Feiertage, um einen Freund in Zürich zu besuchen. Wir plaudern noch ein wenig und dann schlendere ich weiter die Straße herunter, in Richtung Xintiandi in der ehemaligen französischen Konzession. Hier gibt es eine schöne Fußgängerzone und Stände mit Essen auf der Straße.
Offenbar ist die Gegend beliebt um fürs Abendessen noch schnell ein paar europäische Leckereien einzkaufen. Viele Stände die man hier sieht, könnten auch auf den Champs Elysees stehen um dort um Kunden zu werben.
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Die Straßen hier sind gesäumt von Bäumen. Das sorgt dafür das man auch bei Sonne herrlich beschattet spazieren gehen kann. Als ich an einem Stand für selbstgebackenes Baguette anstehe, tauchen plötzlich die 3 Ladies aus dem Café neben mir auf. "Hello - seems we all know what´s good" lacht die eine und befragt mich zu meinen Kenntnissen französischer Backwaren. Nach 2 Minuten stehen wir zu viert an einem Stehtisch - Mia (so nennt sie sich auf englisch) hat noch schnell auf chinesisch eine Flasche des hier sündhaft teuren Cremants bestellt. Die 3 überhäufen mich noch mit Tipps für den weiteren Abend und ziehen dann weiter. Vorher gibts natürlich noch Selfies. Im Weggehen erklären sie mir noch schnell, dass gerade die Shanghai Fashion Week ist. Achso... hätte ich das mal gewusst bevor ich mir mein schwarzes Polo übergezogen habe!
Ich schnappe mir ein Taxi und fahre nochmal zum "Bund". Die Uferpromenade ist bei Dunkelheit unglaublich beeindruckend und zieht mich häufig abends an. Schrammt der "Oriental Pearl Tower" mit seinen stetigen Farb- und Beleuchtungswechseln immer nur knapp an der Geschmacklosigkeit vorbei, ist die Gesamtkulisse die sich den Touristen hier bietet nur schwer zu toppen.
Vom Ufer aus blickt man auf Pudong, das ultramoderne Banken- und Finanzzentrum Shanghais.
Auf der hiesigen Uferseite stehen noch die klassischen Gebäude aus den 1870er Jahren.
Neben dem ehemaligen britischen Konsulat, dem deutschen Club "Concordia" und der "Banque de L´Indochine" haben sich zahlreich international operierende Hotelketten in den historischen Gebäuden ausgebreitet. Würde ich hier noch einige Minuten vor dem "Pensinula Shanghai" warten, tauchen bestimmt auch noch Mia und ihre Mädels auf.
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Ich muss aber noch etwas auf der anderen Seite - in Pudong - erledigen. Dazu nehme ich die Rolltreppe zum "Bund Tourist Tunnel".
In Kabinen für max. 10 Personen fährt man hier, auf einer Art Einschienenbahn, durch einen bunt beleuchteten Tunnel. 5 Minuten später kommt man auf der anderen Seite wieder raus. Dieses Vergnügen ist jetzt nicht so spektakulär, aber die 50 Yuan durchaus wert.
Einem Rat der 3 Damen folgend, mache ich eine Reservierung im höchsten Gym der Stadt. Hier kann man im 89. Stock, mit Blick auf große Teile der Stadt, sein abendliches Laufprogramm absolvieren. Mal sehen wie mir meine üblichen 11 Kilometer hier so vom Fuß gehen.
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Mit der U-bahn fahrt ich eine Station zur "East Nanjing Road" - der größten und längsten Fußgängerzone in China. Unter bunten Neonreklamen kann man hier wirklich alles kaufen.
Leider hat man nicht die Chance als Tourist unerkannt zu bleiben und wird permanent von Koberern angesprochen. Von Uhren über Handtaschen, bis hin zum Iphone 8 und den üblichen Massagen, bieten einem die schmierigen Herren alles an.
Eigentlich war ich hier hin gefahren um mir ein paar neue Schuhe zu kaufen. Meine Turnschuhe waren den täglichen Herausforderungen von Shanghai nicht gewachsen.
Bedauerlicherweise kann man in normalen Geschäften in China nur Schuhe bis Größe 42 kaufen.
War ich bei Hemden von Beginn an davon ausgegangen, dass meine Größe in China nur auf Maß zu bekommen ist, bin ich über das Schuhproblem (ich habe Größe 44,5) doch überrascht - nein entsetzt. Es ist doch Fashion Week :-)
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Ryan lachte über meine Erzählung, kennt sie offenbar das Problem von ihrem Freund Haijun mit Schuhgröße 42,5.
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Bevor ich in die Jugendherberge zurückkehre, schaue ich nochmal kurz in den "People´s Park". Hier nimmt der Hausmeister täglich am gemeinsamen Tanzen teil. Dazu treffen sich viele Chinesen, meisst um 19 Uhr, an verschiedenen öffentlichen Plätzen (Parks, Fußgängerzonen, Bund), um dann gemeinsam zu tanzen. Das Ganze mutet ein wenig wie Zumba an, die Musik ist aber deutlich moderater und melodischer, die Bewegungen fließender.
Als er mich begrüßt jubeln alle los und fordern mich eindringlich auf mitzutanzen. "Da muss ich dann wohl durch", denke ich mir, und versuche den Bewegungen der Vortänzerin zu folgen. Ich bin mir sicher, dass Ihr das irgendwo auf einem chinesischen Videokanal sehen könnt... aber nicht wollt!
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Zurück im Hostel setze ich mich mit einem Glas Gin-Tonic (ohne Eis - das gibt es hier leider nicht) auf die Terrasse und denke ein wenig über die vergangenen 2 Wochen nach - Halbzeit!
Die vergangenen 2 Wochen in China gehörten zu den aufregendsten Erfahrungen die ich bisher machen durfte und ich bin meinem Arbeitgeber sehr dankbar, diese Möglichkeit bekommen zu haben. Obwohl ich hier nicht immer alles verstehe, gleichen sich Tätigkeiten und Abläufe doch sehr. Zukünftig werde ich sicherlich die Bedürfnisse und die für uns teilweise merkwürdig anmutenden Anfragen von chinesischen Gästen besser verstehen und hoffe, dass wir mit einigen wenigen Änderungen & Engagement mehr Gäste aus diesem Land in den Stintfang locken können.
Würde man mich heute fragen, ob ich für längere Zeit alleine hier leben möchte, würde ich dies mit nein beantworten. Würde man mich fragen, ob ich für längere Zeit hier mit meinem Partner/Familie/Freunden leben möchte, würde ich ohne zögern ja sagen! Vereint Shanghai doch das Beste aller von mir jemals besuchten Metropolen.
Falls Ihr also darüber nachdenkt, nach Bangkok, New York oder Dubai zu fliegen... fliegt nach Shanghai!
Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha sind schon hier - nur heissen sie hier Mia, Ryan und Tobi...  und haben maximal Schuhgröße 38.
 

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