Freitag, 17. Oktober 2014

Land, Leute und europäische Vorurteile

Liebe Blogleser,
 
da ich meinen eigenen Blog von hier nicht mitverfolgen kann, hoffe ich, dass es ggf. auch ohne Fotos für Euch einigermaßen interessant ist. Bevor ich Euch morgen mit einem Bericht über diese phantastische Metropole versorgen werde, gibt es heute erstmal folgendes zu berichten:
 
Nur kurz vorweg: Ich habe mich inzwischen in der Jugendherberge zum Kellner hochgearbeitet und den Abwasch (hoffentlich) erstmal hinter mir gelassen. Nun aber zum Eigentlichen:
 
Vorurteile über eine Reise nach China & wie es wirklich ist
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Chinesen essen komische Sachen
Sowohl in Hangzhou als auch bisher hier habe ich einige - in unseren Augen komische Dinge zum Essen - gesehen und probiert. Direkt nach meiner Ankunft wurde ich von Ryan und Haijun in eine Nudelbar geschleift. Dort gab ungefähr 40 verschiedene Gerichte mit Reis oder Nudeln. Sie bestellen 4 Gerichte mit Lamm, Huhn und Schwein und es war eines köstlicher als das nächste. Auch wenn die Geschmacksrichtungen teils ungewohnt waren. Man muss für sich einfach vorher davon ausgehen das man einen stabilen Magen hat.
An den 2 Tagen in denen ich alleine Shanghai durchstreifte, habe ich grundsätzlich in keiner der westlichen Ketten gegessen, sondern habe alles probiert, was mir irgendwie interessant erschien.
Bei Essenständen auf der Straße habe ich meisst gewartet bis ein Chinese etwas bestellt hat, um mir dann (mangels Sprachkenntnissen) das selbe zu bestellen. In meiner Tasche habe ich immer eine leere Flasche Wasser um meinem Gegenüber klarmachen zu können, was ich trinken möchte. Das ist häufig nötig, da der Kühlschrank für Kunden nicht erreichbar ist, eine große Auswahl skurriler Getränke angeboten wird und chinesische Wort für Wasser nicht ganz so einfach ist.
Nachts habe ich zweimal an einem dieser kleinen Wägen gessen, wo über offener Flamme Spieße mit Fleisch und verschiedene Gemüse gegrillt werden. Es war stets köstlich.  
Lediglich bei einer Art Stockfisch habe ich gestreikt. Das roch bereits draussen auf der Straße so furchtbar, dass ich davon Abstand genommen habe. Auf Nachfrage haben wir meine beiden Kollegen hier erzählt, dass nur in ganz wenigen Provinzen teils merkwürdige Tiere wie Ratten, Hunde u.ä. gegessen werden.
Dennoch gibt es hier an vielen Straßen chinesische Supermärkte mit Frischetheken, in denen es teils - für uns - ungewöhnliche Dinge zu kaufen gibt. Die Unterscheiden sich aber nicht so großartig von Märkten z. B. in Spanien wo ja auch ganze Hasen, Hühner usw. verkauft werden.
Meine Oma wäre begeistert gewesen, dass Sie hier Schweinefüße und Schweineschwänze, sowie die allseits beliebten Schweineohren hätte kaufen können. Letzteres will mir Haijin heute Abend auftischen.
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Chinesen sind rüde und unfreundlich
Es ist tatsächlich so, dass Chinesen kein Problem mit direktem Körperkontakt haben. In der Ubahn und in Geschäften geht es teils ziemlich drängelig zu. Da das aber jeder macht, regt sich auch niemand auf. Auf dem Bahnsteig ist es durchaus üblich, dass sich andere Reisende so dicht vor oder hinter mich stellten, dass ich in Deutschland an einen geplanten Taschendiebstahl gedacht hätte.
Blickkontakt ist in China ehr unüblich. Ein kurzer Blick auf den Gesprächspartner zwischendurch ist ausreichend. Von uns wird das offenbar häufig als unfreundlich missverstanden. Tatsächlich ist es so, dass ich hier bisher ausschließlich sehr freundliche Menschen getroffen habe. Wie überall auf der Welt gilt: ein Lächeln hilft - auf der Straße, im Geschäft oder sonstwo, wo man gerade nicht weiter weiss. Zweimal wurde ich bereits von Chinesen durch ein unübersichtliches Wohnviertel geführt. Zuerst waren sie etwas irritiert, dass ich halb in ihrem Wohnzimmer stand, dann lachten Sie aber zurück, waren begeistert, dass ich durch ihre Gasse bummelte und haben mir noch das ein-oder-andere gezeigt. Das Foto mit dem dicken Europäer vor der eigenen Haustür ist dabei natürlich Pflicht und wird gleich im We-Chat mit den Nachbarn geteilt.
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Chinesen benutzen kein Toilettpapier
Zugegebenermaßen hat mich die Frage der Toilettenbenutzung in China vor Reiseantritt umgetrieben. In der Jugendherberge und in touristisch geprägten Stadtvierteln gibt es normale Toilettenbecken und teilweise sogar Toilettpapier. Allerdings darf das Papier nicht ins Becken entsorgt werden sondern wird - nach Benutzung - in einen offenen Papierkorb neben der Toilette geworfen. Das ist ehrlich gesagt gewöhnungsbedürftig und mir ziemlich suspekt. Zumal durch diesen Umstand das Bad nicht unbedingt nach Nivea und Shampoo duftet. Das nehmen die Chinesen aber als völlig normal und gegeben hin.
Bereits am Samstag machte ich Erfahrung mit einer Toilette in einer touristisch weniger erschlossenen Gegend. Die Details möchte ich Euch ersparen, aber mit etwas Überwindung und dem Wissen das diese Stadt großartig ist, geht es auch mal ohne Toilettenbecken und Trennwände. Der geübte Chinese raucht währenddessen oder spielt Candycrush auf seinem Smartphone.
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In China ist alles günstig
NEIN! Das Preisniveau ist auf unserem Niveau oder teils sogar atemberaubend. So gibt es hier zahlreiche Luxusmalls und Restaurants. Auch wenn man normal unterwegs ist, ist Shanghai alles andere als ein Schnäppchen. Günstig ist lediglich die Ubahn oder das Taxifahren.
Natürlich ist auch Essen "um die Ecke" günstig, wer es aber etwas westlicher mag ist auch gerne mal mit 15 Euro bei Mc Donalds dabei.
Die Fahrt auf den JinMao Tower (ich werde davon noch berichten) kostet ebenfalls flotte (aber lohnende) 18,00 Euro. Auf der Straße, besonders in den entsprechenden Vierteln, sieht man viele gut betuchte Chinesen. Besonders Frauen fahren hier gerne Sportwagen wie Ferrari, Porsche usw. Natürlich freihändig, da mit einer Hand das Smartphone und mit der anderen Hand das an der Windschutzscheibe befestigte Tablett bedient wird. Ampeln werden ehr als freundliche Hinweisschilder betrachtet, dass ggf. jemand über die Straße gehen könnte.
Es ist allerdings tatsächlich so, dass Chinesen besonders an deutschen (Luxus-)Produkten interessiert sind - das merkt man auch deutlich bei der Präsenz unserer Markenhersteller hier vor Ort in allen Malls und die ungeheure Dichte deutscher Nobelkarossen. Vor einigen Tagen stand ich am Eingang einer Bar und bezahlte meinen Eintritt, als der junge Mann plötzlich unvermittelt wild gestikulierte und auf chinesisch laut in die Bar hereinrief. Dachte ich erst ich hätte was falsch gemacht, standen plötzlich 4 sich wild unterhaltende Jungs um mich herum und lachten und deuteten immer in mein Gesicht. Ich verstand gar nichts ausser zwischendurch etwas mit Brad Pitt. Sollten Sie mich verwechseln? :-)
Einer der 4 sprach (sehr gutes) englisch: Es ging um meine Brille! Diese hatte der junge Mann am Eingang sofort als Modell einer Berliner Manufaktur identifiziert (ohne das ein Label o.ä. dransteht) und wollte sie unbedingt mal aufsetzen und auseinander klicken (die Brille ist ohne Schrauben und lässt sich fix auseinandernehmen). Im Laufe des Abends ergab sich die Gelegenheit und irgendwann bekam ich sie dann auch zurück. In China sind diese Brillen nur schwer zu bekommen und Brad Pitt trägt ebenfalls dieses Modell.
Immerhin ging so der erste Gin Tonic des Abends aufs Haus. 
 

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